Geächtetes Equipment...

Ja, ich gebe es zu, ich bin ein Fotograf, der gerne mit "Technik" arbeitet. Mit Reflektoren, mit kleinen Blitzen, mit großen Blitzen, mit Softboxen und Stativen. Ich bin ein Fotograf, der oft mit "schwerem" Gepäck reist. 

Irgendwie fühlt es sich immer wie eine Beichte an dies auszusprechen und irgendwie habe ich immer das Bedürfnis mich dafür rechtfertigen zu müssen. Besonders fällt mir dies auf, seit ich in den letzten Monaten wieder aus meiner kleinen Wohlfühlnische - der Cosplayfotografie (die oftmals technisch sehr ausgefeilt ist. Wo das 3-köpfige Blitzset an jeder Ecke zu sehen ist) - herausgekrochen bin um wieder ein klassisches Porträtportfolio aufzubauen.

Verhasste Floskel:

Nicht die Kamera, sondern der Fotograf macht das Foto...

Boah, dieser Spruch kommt mir schon zu den Ohren raus. Jeder Depp weiß, dass man auch mit einer Kamera umgehen können muss.
Das Problem ist, dass auch jeder Depp, der diesen Spruch bringt, denkt, er wüsste eben genau dies und kann sich aufgrund dessen über andere erheben.

Was mich daran nervt ist, dass diese vielzitierte Binsenweisheit benutzt wird um auf einer Metaebene etwas ganz anderes zu kommunizieren. Lasst mich die eigentlich implizierte Aussage einmal in Klartext übersetzen:

"Jeder Mensch, der mehr als genau eine Kamera und genau ein Objektiv einsetzt, hat keine Ahnung.
Diese Person ist ein Blender - rauf auf den Scheiterhaufen mit diesem Abschaum!"

Häufig wird dies auch durch herablassende, verächtliche Blicke kommuniziert. Man wagt es kaum noch einen Blitz auch nur in der Fototasche zu haben.

Dabei hat natürlich jedes Vorurteil, jedes Klischee, seinen Ursprung in tatsächlich gemachten Beobachtungen.

Ich will nicht leugnen, dass es durchaus Individuen gibt, die sofort "das Beste vom Besten" was der Markt für Blitze und Lichtformer zu bieten hat kaufen, dies dann in einer Equipmentorgie öffentlich zur Schau stellen und diesen Aufwand mit furchtbaren Resultaten ad absurdum führen.
Häme ist die Folge, wenn auch eine menschlich hässliche. Und eben jene Häme wird dann gern vom Einzelfall auf die Allgemeinheit projiziert.

Eine ähnliche Debatte zeigt sich bei der Frage nach der Kamera. Vollformat? - ist doch nur was für Profis... oder für Prolethen, die etwas kompensieren müssen.

Es gehört nunmal zum guten Ton - nicht nur in der Fotografie - sich bescheiden und sparsam zu zeigen.

Der Preis des Equipments sagt nichts über die Qualität der Bilder aus.

Auf diese Aussage lässt sich die ganze Debatte herunterbrechen. Diese Argumentation funktioniert aber komischerweise immer nur in eine Richtung.

Nämlich in die, dass man auch mit wenig Geld tolle Bilder machen kann. Dies ist zu einer "Lifestyle"-Debatte geworden. Etliche Clickbaiting-Beiträge in geschriebener oder audiovisueller Form im Tonus "12 kreative Tricks für tolle Fotos auch mit wenig Geld..." oder "5 Fehler die DU machst..." propagieren, dass es nicht viel Geld (oder viel Equipment - ein dreiköpfiges Speedlightset mit Zubehör ist günstiger als so manches Objektiv)  braucht um gute Fotos zu machen, sondern lediglich einen kreativen Geist und das Einhalten von gewissen Grundregeln.

Ja. Das ist richtig. Das ist aber auch offensichtlich, weithin bekannt und keineswegs eine "smarte Erkenntnis", die auch nur im Ansatz erwähnenswert wäre.

 

Interessant ist dann doch die philosophische Frage - wenn es ohnehin nicht auf das Equipment ankommt, warum bringt man dann denjenigen, die mit teurer Ausrüstung gute Fotos machen nicht dieselbe Wertschätzung entgegen, wie jenen, die dies mit günstiger Ausrüstung machen? Denn offensichtlich müssen Sie ja über dasselbe Know-How und Skillset verfügen - die teure Kamera allein macht das Bild ja nicht.

Und umgekehrt kann man auch mit wenig Equipment schlechte Fotos machen. Und wenig Equipment kann auch wesentlich teurer sein als viel.

Wer teures oder viel Equipment nutzt, der wird höchstens geächtet, wenn er mal ein schlechtes Foto macht. Während jene, die auf alles verzichten, glorifiziert werden, wenn ihnen ein gutes Foto gelingt. Dieses inkonsequente Denken ist es, das mich stört.

Zuerst hat man eine Meinung, erst später kommt die Ahnung dazu...

Im Laufe der Jahre habe ich meine eigenen Beobachtung gemacht. Dabei kam ich letztlich zu jenem Schluss:

Diejenigen, die selbst noch nie einen Blitz in der Hand hatten, sind jene, die die Lichtsetzung mithilfe von Blitzen verteufeln. Diejenigen, die noch nie mit einer Vollformatkamera gearbeitet haben, sind jene, die dem Vollformat seine Vorteile absprechen. Auch ich hab dies früher getan. Dann habe ich mir irgendwann doch mal eine Vollformatkamera gekauft und fand es schockierend, wie falsch ich mit meiner ursprünglichen Meinung lag.

Kurz gesagt: Radikale Meinungen und radikales Unwissen gehen oftmals miteinander einher.

 

Das Problem ist, dass es die schlechten Beispiele sind, die einem oftmals im Gedächtnis bleiben. Eine gut (!) gemachte Hautretusche ist so dezent, dass dem Betrachter im besten Fall gar nicht auffällt, dass die Haut retuschiert wurde. Eine schlechte Hautretusche wirkt matschig und unnatürlich.
Damit ist Hautretusche aber nicht automatisch schlecht. Schlechte Hautretusche ist schlecht. Gute Hautretusche ist unsichtbar.

Für das Blitzen gilt dasselbe: Wenn "ein Ahnungsloser" behauptet, er hat bislang nur schlechte Blitzbilder gesehen, dann liegt dies nicht selten daran, dass er auf gut geblitzten Bildern den Blitz gar nicht zu erkennen vermag. Der Schluss "Blitzen ist Schlecht, weil alle geblitzten Bilder schlecht sind" entspricht zwar der subjektiven Wahrnehmung, ist aber objektiv falsch.

 

Selbst als erfahrener Fotograf kann ich von der Seitenlinie nur im Ansatz erahnen, wie die Fotos aussehen mögen, die ein anderer gerade macht.
Habe ich selbst zudem keine Erfahrung mit dem Equipment, die eben jener Akteur gerade nutzt, so fehlt jegliche Vorstellung des finalen Ergebnisses.

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