Und wer bezahlt dir das?

Ich habe viele Hobbys: Ich bastel an Mikroelektronik, ich laufe regelmäßig, ich blogge hier von Zeit zu Zeit, im Winter geh ich Schlittschuh laufen und ich fotografiere leidenschaftlich gern. Meine Art zu fotografieren und vor allem das drumherum hat in den letzten Jahren eine stetige Veränderung durchlaufen.
Am meisten Spaß habe ich heutzutage daran auf Reisen zu gehen und mich vor Ort mit kreativen Menschen zu treffen.

Wenn man sich in lockerer Runde abends unterhält und mit neuen Leuten ins Gespräch kommt (z.B. Freundesfreunde auf einem Grillabend), so spricht man natürlich auch oft über seine Leidenschaften. Interessant ist dabei eines - sobald das Gesprächsthema zur Fotografie pendelt, könnte ich Wetten darauf abschließen, dass ich gefragt werde: "Und wer bezahlt dir das?".
Komisch, oder? Bei keinem anderen Hobby werde ich das gefragt. Nur bei der Fotografie.

 

Klar, die Fotografie bedeutet einen gewissen zeitlichen und finanziellen Aufwand. Aber eine eigene Leiterplattenfertigung in der Heimwerkstatt oder gelegentlich einen neuen Laufschuh gibt es ja auch nicht geschenkt. Für eine Urlaubsreise gibt doch auch jeder Mensch bereitwillig Geld aus, ohne zu hinterfragen, ob einem einer dies "schenkt". Auch würde man wohl kaum einen Hobby-Fußballer fragen, wie viel Geld er mit seinem Hobby verdient.

 

Wieso kommt man auf die Idee, dass eine Leidenschaft zur Fotografie automatisch gleichzusetzen ist mit finanzieller Bereicherung?

Nun, letztlich kann ich diese Frage nicht beantworten, da ich sie mir selbst für gewöhnlich nicht stelle. Und vermutlich ist meine eigene Weltanschauung in diesem Belang zu weit von dem entfernt, was der "Durchschnittsbürger" mit Fotografie assoziiert. Ich kann nur mutmaßen, wie man auf diesen Gedanken kommt.

 

1. Ich hab da eine/n Bekannte/n, die/der fotografiert Hochzeiten...

Ein Grund dürfte wohl der sein, dass mittlerweile jeder Heiopei mit Kamera vom großen Geld träumt. Ich will das Szenario nicht zu weit ausschmücken, aber beim Blick auf das schwarze Brett meiner alten Uni habe ich dutzenderweise Angebote von Studenten gesehen, die sich ihren Lebensunterhalt durch Pärchen- und Hochzeitsfotos aufgebessert haben - ob nun schwarz oder mit Kleingewerbe sei dahingestellt.

Vermutlich hat jeder in seinem erweiterten Freundes-/Bekanntenkreis jemanden, der eine Kamera besitzt, diese zumindest grundlegend zu bedienen weiß und bereitwillig bezahlte Angebote annimmt.

 

2. "Model" != "Germanys Next...."
Wenn ich "Model" sage, meine ich "Person, die kreativ ist und hobbymäßig gern und motiviert vor der Kamera steht. Im Idealfall auch ein gewisses Maß an Fotogenität in Form von Erfahrung und Talent mit sich bringt - männlich wie weiblich, Casual wie Cosplayer".
Mein gegenüber versteht: "Leicht bekleidete junge Damen, Modelagentur, Modemagazin, Auftraggeber die Geld haben, Zickenterror"

 

3. Kameras und Objektive sind doch unheimlich teuer...

Jedes Hobby kostet Geld. Das eine mehr, das andere weniger. Preise für Kameras und Objektive liegen mitunter bei 1000-3500€ pro Stück.
Die Anschaffung einer Kamera und eines dazugehörigen Objektivparks kann sich folglich nur jemand leisten, der "mal eben" 5000-7000€ über hat. Das kann man sich doch nur leisten, wenn man das Geld irgendwie wieder rein kriegt...

Ja - Objektive kosten mitunter ganz schön Geld. Aber wie oft kauft mein sich eine neue Linse? Irgendwann steht der Objektivpark halt. Meine Kamera ist fünf Jahre alt, meine Objektive bringen ein Alter zwischen drei und fünfzehn Jahren mit sich. Rechne ich die Kosten für mein Equipment (inklusive Fehlkäufe und Wiederverkäufe) gegen die Zeit, die ich bereits fotografiere, liege ich in der Preisklasse eines Fitnessstudio-Abos auf gleicher Laufzeit.

 

4. Was nichts kostet, ist auch nichts...

Ich glaube sobald es um Geld geht ist der Mensch ganz schön emotional. Er will immer und überall ein Schnäppchen machen, ist aber damit auch schon auf die Nase gefallen und folglich skeptisch, wenn etwas günstig oder umsonst ist. Es geht darum, dass man schnell eingeschnappt ist, wenn man eine finanziell dumme Entscheidung getroffen hat.

Geht es darum die eigene Hochzeit fotografieren zu lassen, findet sich ein talentierter Hobbyist, der bessere Fotos macht als der Berufsfotograf im gleichen Ort und nur ein Viertel des Preises verlangt - ein richtiges Schnäppchen!
Aber wenn ein Hobbyfotograf kein Geld für seine Fotos nimmt, dann können seine Fotos ja nichts taugen... oder?

Pssst - ich verrate jetzt mal ein Geheimnis:
Es gibt keinen kausalen Zusammenhang zwischen fotografischem Können und finanziellem Umsatz.

Geld verdienen tut derjenige, der Geld verdienen will und sich verkaufen kann.
Ich will kein Geld verdienen und ich will mich auch nicht verkaufen - das ist der einzige Grund, warum ich mit meiner Fotografie kein Geld verdiene.

 

Fakt ist - mir geht es auf gewaltig auf den Keks, wenn Leute ständig versuchen die Fotografie an Geld zu messen, aber ich kann sie dafür nicht beschämen, da ihnen einfach der Blick hinter die Kulissen fehlt.
Vorurteile gibt es zu jedem Hobby - zur Fotografie, zum Cosplay, zum Fußball, zum Eislaufen (ja, ich werde jedes mal gefragt ob ich ein Tutu trage - nein, ich fahr Freestyle)... damit muss man sich wohl einfach abfinden.

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